Zu den Zeugen der Industriegeschichte
- Luftibus
- 1. Aug. 2022
- 3 Min. Lesezeit
Jahrhundertelang liefen in Rapperswil-Jona unzählige Maschinen mit Wasserenergie aus dem Zürcher Oberland. Auf einer Wanderung von Rüti nach Rapperswil-Jona besichtigen wir einige Zeugen der Industriegeschichte.

Das Wehr am Geissenrain leitet das Wasser der Jona Richtung Stadtbach.
Eine Stadt braucht Energie. Im Mittelalter wurde sie vor allem aus fliessendem Wasser (Bewegung), Holz und Kohle (Wärme) gewonnen. Das nächste bewegte Gewässer, die Jona, fliesst aber fast zwei Kilometer am Zentrum Rapperswils vorbei.
Auf einer Wanderung von Rüti nach Rapperswil-Jona erfahren wir, wie das Wasser aus dem Zürcher Oberland umgeleitet wurde und Energie und Wohlstand in die Stadt brachte. Die geschichtlichen Hintergründe dazu packen wir mit dem von Peter Röllin geschriebenen Buch «Kulturbaukasten Rapperswil-Jona» in den Rucksack.
Wehr beim Hackenest
Vom Bahnhof Rüti aus wandern wir hinunter zur Jona und verlassen die Ortschaft bei der Kläranlage. Eine erste Rast empfiehlt sich am Jonaknie bei der Chüeweid. Kiesbänke, Teiche, moosige Steine und die herbstlich gefärbten Blätter machen aus dieser Ecke des Jonerwaldes ein Idyll.

Die Jona bei Hackenest. Hier zweigt der Kanal zur Spinnerei Braendlin ab.
Zweihundert Meter davon entfernt treffen wir auf den ersten industriegeschichtlichen Zeugen. Es ist das Wehr beim Hackenest, das einen Teil des Jonawassers in einen Kanal abzweigt. Dieses Wasserwerk erstellten die Gebrüder Braendlin, Inhaber der gleichnamigen Spinnerei, im Jahr 1826. Der Kanal verschwindet 300 Meter westlich vom Hackennest in einem Tunnel.
Wir gehen zurück zum Wehr und zum Wanderweg, der uns unter der Bahnlinie hindurch führt. Im Aspwald überqueren wir einen kleinen Pass (Klimse), der uns hinüberführt in die Tägnernau. Dort kommt das Wasser, das wir auf der anderen Seite des Hügels haben verschwinden sehen, wieder ans Tageslicht und staut sich zum Braendlin-Weiher.

Der Braendlin-Weiher in der Tägernau wurde 1826 gestaut.
Von hier aus führt ein Kanal zur historischen Spinnerei an der Holzwiesstrasse. In dem Gebäude laufen seit Jahrzehnten keine Spinnereimaschinen mehr – aber die Wasserenergie wird noch immer von einem kleinen Kraftwerk (es befindet sich 20 Meter neben dem Wanderweg) zur Stromerzeugung genutzt. Im 19. Jahrhundert stand an diesem Kanal noch ein grosses Wasserrad, das über eine Welle die Maschinen antrieb.
Wasser über Wasser
Eine Besonderheit dieses Wasserwerkes sehen wir hundert Meter entfernt von dem kleinen Kraftwerk. Dort fliesst das Kanalwasser in einer Brücke über die Jona. Ein paar Schritte weiter westlich befindet sich ein kleines Wehr. Ein Teil des Wassers geht hier in den Stadtbach, der Überlauf gelangt über einen Wasserfall zurück in die Jona.

Hier kann man im Sommer auch baden: Jonaknie bei der Chüeweid.
Bereits im 14. Jahrhundert drehten sich im Städtchen Rapperswil die ersten Wasserräder. Das Wasser dazu wurde der Jona am Geissenrain abgezogen. Wir erreichen diese Stelle, indem wir 200 Meter nördlich der Spinnerei Braendlin, wo Bahnlinie und Wanderweg die Jona überqueren, auf einem Pfad der Jona flussaufwärts folgen. Dort finden wir das Wehr und die Schleusen, mit denen die Wassermenge im Stadtbach dosiert wird.
Unter Strassen und über die Bahnlinie
Zum Abschluss der Wanderung folgen wir dem Stadtbach, der teilweise unter der Spinnereistrasse und der alten Jonastrasse verläuft. Oberhalb der Tüchelweiherwiese überquert er die Bahnlinie. Beim Stadthofplatz gelangte er früher in die Altstadt, durchfloss Hals- und Schmiedgasse und mündete dort, wo heute die Hochschule steht, in den Zürichsee.

In der Giessi mündet der Stadtbach in den Zürichsee.
Heute fliesst der Stadtbach unterirdisch zur Giessi, wo er aus einer Röhre kommend in die Kempratner Bucht mündet. Von der Giessi aus, wo einst die Rapperswiler in Handarbeit Kleider und Tücher wuschen, gehen wir dem Ufer entlang zum Kapuzinerzipfel. Zum Abschluss gönnen wir uns an der Seepromenade ein Glas Riesling.

Wanderung mit einigen Abstechern. Am besten zu finden sind die geschichtlichen Zeugen, wenn man der Route auf der Karte von SchweizMobil folgt.
Den Wasserläufen nach
Route: Bahnhof Rüti – Wydenchlösterli – Chüeweid – Hackenest – Klimse – Braendliweiher – Geissenrain – Spinnereistrasse – Giessi – Kapuzinerzipfel – Bahnhof Rapperswil.
Anreise: Zug oder Bus nach Rüti.
Infos: Dauer 2 Std. 50 Min. (ohne Pausen); Distanz 11.55 km; Höhendifferenz 143 m aufwärts, 216 m abwärts.
Buch mit geschichtlichen Hintergründen: «Kulturbaukasten» von Peter Röllin ist bei der Touristinformation am Fischmarktplatz in Rapperswil-Jona erhältlich. info@rzst.ch
Rückreise: Zug, Bus oder Schiff ab Rapperswil.

In diesem Tunnel unterquert der Braendlin-Kanal den Aspwald.

Der Braendlin-Kanal in der Tägernau.
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